Heleen, die kleine Motte

27 März 2007

Hamburg

Mittlerweile sind gut anderthalb Wochen seit dem letzten Artikel vergangen und Heleens Leistungskurve geht nun langsam aber stetig nach unten. Das liegt daran, dass die Anzahl der roten Blutkörperchen weiter abnimmt Dadurch nimmt sie sich häufiger mal eine Ruhepause und rennt nicht mehr ganz so wild duch die Gegend.

Am vorletzten Samstag haben wir einen größeren Ausflug nach Hamburg gemacht um die Tante "Bieba" ( Birthe) zu besuchen. Nach einem schönen zweiten Frühstück, mit leckeren Schokobrötchen, ging es nach Hamburg - Blankenese, um an der Elbe spazieren zu gehen. Wir hatten Glück, das Wetter war herrlich; Sonnenschein, mit viel frischem Wind. Das hat Heleen Heleen trotzdem gut gefallen, denn so hatte sie die Möglichkeit, die großen Schiffe aus der Nähe zu sehen, was ihr sichtlich gefiel! Vielleicht haben wir nochmal die Möglichkeit nach Hamburg zu fahren und den Hafen zu besuchen....

Am vergangenen Mittwoch, sollte Heleen nun mit dem neuen Medikament starten. Dazu mußten wir uns auf einen ganztägigen Aufenthalt auf der onkologischen Station einrichten. Dieses Medikament befindet sich noch in der Erprobungsphase, es ist noch ein sog. Studienmedikament, was an Patienten getestet wird, bevor es auf dem Markt kommen soll. Bisher konnten bei den chronischen myoloischen Leukämien gute Erfolge erzielt werden, ob es auch bei den akuten myoloischen Leukämien helfen kann, wie sie Heleen hat, soll hierbei ebenfalls getestet werden. Zu einer Heilung wird es nicht kommen, aber vielleicht zu einem Stopp der Ausbreitung oder gar Reduzierung der Leukämiezellen. Wir gewinnen dadurch im besten Fall Zeit!

Wir haben uns dafür entschieden, weil die bisher bekannten Nebenwirkungen vertretbar sind. Es ist kein Chemo-ähnliches Medikament, d.h. es kommt kein Gift in ihren Körper.
Der Arzt der dieses Medikament in der Studie für die MHH begeleitet, empfahl zwar vorweg eine Art Kurz Chemo-Therapie zu machen, weil die Leukämie im Knochenmark recht hoch ist. Damit sollten bessere Startvorrausetzungen für die Gabe des Medikamentes getroffen werden, aber wir entschieden uns dagegen. Da es auch wie bei den vorherigen Chemotherapien, zu den bekannten Nebenwirkungen gekommen wäre, wie der Verlust der kompletten Abwehrkräfte, und uns auch keiner sagen konnte, dass sie danach wieder Abwehrkräfte produziert, war für uns die Entscheidung sehr bald klar. Das hätte unter Umständen einen langen Aufenhalt auf der Station bedeutet und ob wir jemals zusammen wieder nach Hause gekommen wären, konnte uns keiner vorhersagen!

Zum Medikamnet selber, Dasantinib, es war nicht so einfach, es in Heleen hineinzubekommen. Nach einer äußerst genauen Vorgabe; mit welcher Flüssigkeit, in welcher Menge, in einer bestimmten vorgebenen Zeit das Medikament gerührt (auf keinen Fall darf es zerdrückt werden!) werden durfte und dann sofort verabreicht werden mußte! Aber Heleen fand es gar nicht gut, dieses Zeug in den Mund gespritzt zu bekommen, die Hälfte ging wohl daneben. Marco probierte davon auch einen Tropfen und hatte noch eine viertel Stunde später den bitteren Nachgeschmack im Mund. Heleens Reaktion war nur verständlich. Den restlichen Tag konnte Heleen auf der Station umherlaufen, allerdings wurde einmal pro Stunde Blut abgenommen, was für die Studie benötigt wird. Nebenbei gab es dann noch ein Thrombozytenkonzentrat. Am späten Nachmittag ging es dann wieder nach Hause!

Das Medikament bekommt sie nun nicht mehr mit Flüssigkeit, denn da ging immer noch zuviel daneneben. Zurzeit klappt es ganz gut ihr die kleinen Tabletten unter Nutella zu mischen. Die mag sie besonders gerne, am besten pur von der Messerspitze!

Letzten Freitag sorgte Heleen für Unterhaltung in der Ambulanz. Aus dem Labor hatte sie ihren Lieblingsmusikhasen mitgehen lassen. Wenn man ihm auf die Pfote drückt, macht dieser Hase einen Höllenlärm! Nun stand sie da mittem im Gang und war mit dem Hasen am tanzen, sehr zu Belustigung der Ärzte und Mitarbeiter...

Momentan sind wir auf dem Sprung in die MHH, denn sie wird in kürze Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) benötigen..., danach wird sie hoffentlich auch wieder etwas agiler sein...

15 März 2007

70 %

Unser Aufenthalt in der Klinik, bei dem Heleen die 2. Gabe der Spender-Zellen bekommen und zuvor eine Knochenmarkpunktion machen lassen sollte, gestaltete sich dann doch länger, als wir gedacht hatten.

Da ihre Blutwerte weiter gefallen waren, brauchte sie vor der OP noch eine Transfusion mit Thrombos. Damit es während so einem Eingriff nicht zu einer unbeherrschbaren Blutung kommt, ist es wichtig eine Mindestzahl von Blutplättchen zu haben. Also ging der erste Weg zur Blutbank, um die Thrombos zu bestellen. Nach ca. 1 Stunde konnten wir unser Päckchen dann abholen und auf Station gehen.

In der Mittagszeit war es dann soweit und sie kam in den OP. Heleen war inzwischen schon wieder recht unwirsch geworden, denn sie hatte verständlicherweise Hunger und Durst. Zurück auf Station gab es dann auch gleich ein anständiges Mittagessen.

Nun hieß es Warten auf die Zellen. Die werden nämlich mit einem Sondertransport aus einem speziellen Labor angeliefert, wo sie seit der Entnahme eingefroren sind. Die Gabe war dann gewohnt unspektakulär. Da man aber nicht ausschließen kann, dass es zu Gegenreaktionen des Körpers kommt, blieben wir bis zum Abend zur Beobachtung. Heleen fand es natürlich nicht so toll an ein EKG und regelmäßiges Blutdruckmessen angeschlossen zu sein und sich damit nicht mehr aus ihrem Bett herausbewegen zu können. Glücklicherweise konnte Susannes Mama spontan in die Klinik kommen und dabei helfen Heleen zu bespielen.

Unerwartet gab es dann doch schon im Laufe des Nachmittags das Ergebnis der Knochenmarkuntersuchung: 70% besteht nun aus leukämischen Blasten.... . Vor gut vier Wochen waren es "nur" 30%. Also haben die Spenderzellen leider bisher noch nichts bewirkt.
Diese Nachricht hat uns doch wieder umgehauen. Auch wenn wir nicht zu glauben wagten, dass es zu einer Reduzierung der Leukämie gekommen war, dagegen sprach das Blutbild. Aber wir hatte so sehr gehofft, dass sich die Krankheit nicht übermäßig ausgebreitet hatte. Aus Sicht der Ärzte ist dieser Verlauf bei einem Rückfall "normal", sofern die Gabe der Spenderzellen keine echte Wirkung zeigen.

Und nun??? Wir versuchen den Alltag weiterzuleben, vielleicht noch intensiver als vorher, denn wer weiß wie viel gemeinsame Zeit uns noch bleibt... .
Eine liebe Psychologin/Freundin sagte uns: "Jetzt ist nicht die Zeit zum traurig sein!"
Und damit hat sie vollkommen Recht!

Jetzt ist die Zeit, mit Heleen jeden Tag zu genießen und ihr ein bisschen von der großen Welt zu zeigen.

Eine Möglichkeit gibt es noch, zu versuchen Zeit zu gewinnen:

Ab nächster Woche soll Heleen nun ein neues Medikament bekommen, was die Ausbreitung der Leukämie aufhalten soll. Sicher ist das aber leider nicht, denn dieses Medikament wurde ursprünglich für eine andere Leukämieform entwickelt. Es kommt bei Heleen nun auf einen Versuch an, ob es trotzdem wirkt. Das Positive daran ist, dass es kaum Nebenwirkungen geben soll. Bislang ist das Medikament noch in der Studienphase. Deshalb muss Heleen diverse Voruntersuchungen und Blutentnahmen über sich ergehen lassen. Das alles kann aber ambulant erfolgen.

Und Heleen?! Der geht es trotzdem weiterhin gut. Natürlich gibt es langsam Anzeichen, dass sie kein normal gesundes Kind ist: Sie wird blasser, der wunde Po heilt kaum ab und sie scheint etwas Wasser einzulagern. Aber das hindert sie nicht daran, gewohnt aktiv zu sein. Daheim gefällt es ihr gut zur Musik zu tanzen oder sich mit diversen „Schmuckstücken“ im Spiegel zu betrachten. Damit ihre Augen vor Sonnenlicht geschützt werden, soll sie möglichst eine Sonnenbrille tragen. Das klappt noch nicht so nachhaltig gut, aber zumindest findet sie es ganz klasse, sich mit Brille im Spiegel anzuschäkern.

Mittwoch haben wir wieder den Zoo unsicher gemacht, die kleinen Affen fand sie diesmal am besten. Dort saß sie geraume Zeit vor der Scheibe und beobachtete die Tiere beim Äpfel essen. Das Elefantengehege war wohl für uns eine größere Enttäuschung als für Heleen, denn die Elefanten wurden gegen Bagger und Laster ausgetauscht. Heleen gefiel der große gelbe "Badda" (Heleens Wort für "Bagger") trotzdem sehr gut und beobachtete ihn auch ganz gespannt!

Sehr passend ist es da, dass in unserer Nähe eine Baustelle mit diversen Baggern ist, an der wir vorbeispazieren, wenn wir zu den Spielplätzen wollen.

Übrigens haben wir jetzt einen neuen Lieblingsspielplatz gefunden: Dort gibt es eine extra breite Rutsche, so dass, wir mit Heleen gemeinsam runterrutschen können. Außerdem ist es immer wichtig, dass auch eine Schaukel und ein Schaukelsitz vorhanden sind. Das alles ist dort gegeben und wird von allen Anwesenden mit Begeisterung wiederholt genutzt.

Übrigens, heute erreichte uns eine liebe Engels-Karte:
„ Manchmal verspüren wir plötzlich den Wunsch einem lieben Menschen auf unsere ganz eigene Weise einen Engel zu schicken. Das kann ein liebevoller Gedanke sein, ein guter Wunsch oder ein kleiner Gruß.“
Mit diesen Wünschen wollte uns die Absenderin „nur“ liebe Grüße und eine Umarmung schicken.

Genau diese Dinge sind es, die uns momentan Kraft geben!

Denn wie schon gesagt: Jetzt ist nicht die Zeit zum traurig sein!

10 März 2007

Der Alltag kehrt ein

Langsam kommt ein wenig Routine in unseren Alltag. Wir machen –wie früher- wieder regelmäßig Spaziergänge. Allerdings legt Heleen Wert darauf, dass es schönes Wetter ist. Sie lässt sich nämlich gar nicht mehr gern unter die Regenplane im Kinderwagen setzen. Dann versucht sie ständig den Regenschutz abzureißen und sich aus dem Wagen zu winden.

Also haben wir entschieden, dass nicht mehr jedes Wetter schön ist und man nur die passende Kleidung zu tragen braucht, sondern, dass es trocken sein, soll um an die frische Luft zu gehen!

Außerdem ist Heleen wichtig, dass sie zuerst selbst ein paar Schritte vor der Haustür laufen kann, und dass natürlich mit ihrem kleinen Puppenbuggy. Ab und zu überlegt sie sich auch während einer Tour aus ihrem Kinderwagen auszusteigen und lieber selbst zu laufen. Das natürlich auch mit Buggy. Sehr zur Freude von Susanne, denn unser Modell ist eine „Spar“-Version von Family. Da wurde am Preis und an der Technik des Klappmechanismus gespart und man klemmt sich nun regelmäßig die Finger am Gestänge.

Na, Hauptsache das Kind ist glücklich ;-)

Endlich haben wir es geschafft, einen kleinen Freund zu besuchen. Susanne war recht gespannt, wie das Treffen verlaufen würde, denn es ist ja nun schon lange her, dass Heleen die Möglichkeit hatte in direkten Kontakt zu Gleichaltrigen zu kommen. Sie war zwar immer sehr interessiert an Kindern, die sie irgendwo gesehen hat, aber in direkter Nähe ist es ja nun ein bissen was anderes.

Zur Freude aller, waren die Treffen aber super schön und können hoffentlich oft wiederholt werden. (Wenn dann auch die Erkältungszeit endlich ein Ende nehmen würde…)

Es war recht lustig zu beobachten, dass Heleen noch nicht darauf gekommen war, dass genau das Spielzeug, was ein anderer gerade hat am besten sein könnte und dies dann sofort haben will. Ganz im Gegenteil, sie war total verdutzt, als der „kleine Mann“ angeschossen kam und ihren Buggy entführte. Heleen schaute ihm irritiert hinterher und rief: „Mama?!“

Im Garten hatte Heleen einen Riesenspaß beim Schaukeln. Praktischerweise können auch ganz Kleine aus dem Modell nicht herausfallen und allein drin sitzen. Na, das war eine Freude: je höher, je besser.

Drinnen ist das absolute Highlight momentan die kleine Plastikrutsche. Da fangen beide laut an zu quietschen vor lachen und klettern schnell zum nächsten Anlauf hinauf.

Daher gefallen Heleen die Rutschen auf Spielplätzen jetzt wahrscheinlich auch besser. Wir haben nun die unterschiedlichsten Plätze in unserer Umgebung erkundet und so ein paar schöne Ziele für die Spaziergänge gefunden. Heleen gefällt es dann gut, auf den Geräten zu sitzen, die ähnlich wie ein Schaukelpferd sind. Ist ja auch toll, wenn man ganz selbständig ist und nur zum Auf- und Absteigen etwas Hilfe benötigt.

Bislang waren übrigens alle Befürchtungen umsonst, dass Heleen einen Infekt übernehmen könnte. Bis auf ein paar Niesser und selten mal ein Husten ist alles ok. Obwohl wir an einem Abend in Alarmbereitschaft versetzt wurden: Noch immer gilt, 3x täglich Fieber zu messen und bei bestimmten Temperaturen unverzüglich in die Klinik zu fahren. Dort würde dann eine Antibiotika Therapie gestartet, die mit mindestens 3 Tagen Station verbunden wäre. Eigentlich ist es jedes Mal ungewiss und man atmet erleichtert auf, wenn das Thermometer nicht zu hoch gestiegen ist. Neulich war es dann aber so hoch, dass wir nach 1 Stunde erneut kontrollieren mussten. Da fiel uns aber ein dicker Stein vom Herzen, als weniger Temperatur angezeigt wurde und wir beruhigt ins Bett gehen konnten!

So bleibt uns also die Ungewissheit stets erhalten, wo wir den nächsten Tag verbringen werden…

Optimisten nennen das wohl spontan und flexibel sein ;-)

Aus der Klinik gibt es momentan nichts Besonderes zu berichten. Wir sind einmal wöchentlich zur Untersuchung in der Ambulanz. Ein weiteres Mal pro Woche lassen wir dann noch das Blutbild kontrollieren, denn die Thrombos sind noch immer niedrig und wurden ein weiteres Mal per Transfusion aufgefüllt.

Unser Oberarzt ist ein wenig zurückhaltender in seinen Erzählungen geworden. Vermutlich ist es ihm unangenehm, dass er selbst noch vor ein paar Wochen ganz und gar nicht geglaubt hat, dass Heleen einen Rückfall bekommen könnte und dementsprechend euphorisch war.


Wenn man Heleen sieht, kann man nicht glauben, was in ihrem Körper passiert. Sie ist so aktiv und interessiert, futtert wie ein kleiner Scheunendrescher, trinkt üppig, wie nie zuvor. Nur wenn man genauer hinsieht, fällt auf, dass sie wieder ungewöhnlich viele Blaue Flecken hat und eine Spur zu blass aussieht…

Für Dienstag ist die nächste Gabe der Spenderzellen geplant. Um die Wirkung der ersten Gabe einzuschätzen, wird vorweg eine Knochenmarkpunktion gemacht.

Erfreulicherweise findet das alles auch wieder ambulant statt und wir sollten im Laufe des Nachmittags wieder daheim sein.


 
kostenlose counter seit dem 09.07.2007