...hatte Heleen in den letzen Tagen verleben können.
Hofften und dachten wir noch vor einer Woche, dass es mit Heleen wieder bergauf ging, mußten wir leider eine andere Erfahrung machen. Am Sonntag kam das Fieber wieder zurück. Das konnten wir zwar mit Zäpfen und Fiebersaft unter Kontrolle halten, allerdings wirkten diese Mittel nur drei bis vier Stunden und dann war die Temperatur wieder da. Trotzdem war Heleen noch weitestgehend gut drauf, doch auffällig waren die Appetitlosigkeit und der wenige Durst.
Am Samstag bemerkten wir an Heleens rechtem Ohr, dass im Gehörgang eine rötlich, dickliche Flüssigkeit austrat, nicht viel, aber schon sichtbar. Daraus schloss man, dass Heleen eine Mittelohrentzündung hatte. Diese sollte aber in ein paar Tagen abheilen, wenn Heleen brav ihr Antibiotikum schlucke. Mit den Medikamenten klappt es inzwischen übrigens mehr als gut: Heleen besteht darauf allein den Saft aus der Spritze in ihren Mund zu drücken. Das sollte also kein Problem sein. Leider ließen aber die Schmerzen überhaupt nicht nach und die Flüssigkeit lief und lief und lief. Wir waren fast jeden Tag mit Heleen in der Klinik und ließen sie dort untersuchen. Die Diagnose war ein geplatztes Trommelfell, was einerseits gut ist, da dadurch der Druck vom Ohr genommen wurde, aber auf der anderen Seite auch mit viel Schmerzen verbunden war. Alle die schonmal eine Mittelohrentzündung hatten, wissen was das für Schmerzen das sein können! Heleen war nun verständlicherweise nicht gut drauf, was sie mit viel Weinen und Wimmern zum Ausdruck brachte. Die Ärzte konnten uns erst nichts anderes raten, als Heleen regelmäßig Schmerzmittel zu geben und bei Bedarf die Dosis zu erhöhen.
Am Mittwoch kam es dann aber noch schlimmer, denn kurz vorm zu Bett gehen bemerkten wir, dass nun auch Blut aus dem Ohr tröpfelte. Obwohl Heleens Blutgerinnung nicht sehr hoch war, überließ man uns die Entscheidung ob wir nachts oder am nächsten Tag vorbeikommen wollten und Heleen Thrombozyten erhalten sollte. Mit dem Bewusstsein, dass Heleen eine „Blutung im Kopf“ hatte, ließ es sich dann natürlich nicht sonderlich gut schlafen, aber da wir wussten, wie lange man nachts mit Heleen in der Notaufnahme hätte warten müssen, entschieden wir uns lieber Donnerstag recht früh in die Klinik zu starten.
Dort angekommen, ging es dann auch ohne Wartezeit gleich auf die KMT Station (Knochenmarktransplantations-Station). Die Stationsärztin war so nett, uns für den Aufenthalt ein „ruhiges Zimmer“ zur Verfügung zu stellen. Da es in der Tagesklinik meist sehr turbulent zugeht haben wir das Angebot dankbar angenommen.
Ursprünglich hatten wir mit dem Ärzteteam besprochen, dass wir Heleen in unserer besonderen Situation so lange es uns möglich ist, daheim zu haben und pflegen zu wollen. Man hatte uns aber immer wieder angeboten, wenn es uns zuviel würde stationär in die Klinik zu kommen.
Nun war der Punkt erreicht: Susanne konnte es nicht mehr ertragen, wie schlimm die kleine Maus immer wieder leiden musste. Da sich nun zeigte, dass auch der Entzündungswert im Blut stark angestiegen war, vereinbarte sie mit der Stationsärztin, dass Heleen nun ein anderes Antibiotikum und dieses intravenös bekommen sollte. Dazu mussten wir natürlich stationär aufgenommen werden.
Nach langer Zeit (Heleen wurde zwei Tage vor Weihnachten von der KMT entlassen), stand nun also die erste Übernachtung in der MHH an. Doch so spontan wir uns zu diesem Aufenthalt entschlossen hatten, so überraschend schnell durften wir dann doch schon wieder nach Hause. Nur eine Nacht haben Heleen und Susanne in der Klinik verbracht, denn eine sehr freundlich-engagierte Ärztin kümmerte sich darum, dass nun ein ambulanter Pflegedienst zu uns nach Hause kommen soll und das Antibiotikum verabreichen kann. Als „Sonderfall“ vereinbarten wir übers Wochenende noch ambulant auf die Station zu kommen und Anfang der Woche wäre der Pflegedienst dann hoffentlich startklar.
Alles in allem ist die derzeitige Unterstützung seitens der MHH, insbesondere der Ärzte, Schwestern und onkolgischen Ambulanz sehr sehr gut. Alle bemühen sich nach Kräften uns in dieser schweren Situation, alles so einfach wie möglich zu machen, sei es Wartezeiten zu verkürzen wenn es um die Bestellung von Bluttransfusionen betrifft oder der Aufenthalt auf der KMT oder auch die Organisation des Pflegedienstes. Dafür sind wir sehr dankbar, denn damit ermöglicht man es uns, soviel Zeit, wie irgend möglich, zu Hause verbringen zu können....
In den letzten Tagen ist uns wieder klar geworden, wie angespannt wir alle ständig sind. Es hieß ja, dass es Heleen die meiste Zeit noch gut gehen würde. Dann würde die Leukämie aber den Großteil der gesunden Blutzellen zerstört haben und Heleen könne einem Infekt nichts mehr entgegensetzten.
Was soll man dann also denken, wenn man Tag und Nacht mit einem hoch fiebernden Kind auf dem Schoß sitzt und die Erkrankung scheinbar nur schlimmer wird…?
Die Ärzte sagen, dass "... es in der Natur der Sache..." liegt, und dass man nicht viel mehr als Heleens Schmerzen lindern und abwarten kann. Seit Donnerstag hat Heleen ein Morphin Pflaster. Über die Haut wird ständig ein Wirkstoff aufgenommen, der die Schmerzrezeptoren hemmt. Noch sind wir in der Erprobung, ob die Dosierung ausreicht.
Momentan scheint sie sich zu bessern. Das Fieber und die Schmerzen kommen nur noch sporadisch. Inzwischen darf man unbemerkt auch schon mal wieder an das entzündete Ohr fassen, ohne dass ein jäher Schmerzschrei von ihr ertönt. Und unser Ohrthermometer ist auch (am gesunden Ohr) wieder im Einsatz.
Allerdings treibt uns ihre Appetitlosigkeit bald in den Wahnsinn. Wobei es inzwischen vielleicht auch mehr in Richtung Prinzessinnen-Allüren geht; verwehrte Heleen am heimischen Mittagstisch noch den eigens für sie zubereiteten Nudelsalat, so erfreute sie sich kurze Zeit später in der Tagesklinik an einem Teller Spaghetti Bolognese. Außerdem müssen wir aufpassen immer genug Eier im Hause zu haben. Heute morgen bestand Heleen nachhaltig auf ein Frühstücksei. Wie blöd, dass um 7:00 Uhr die Supermärkte noch geschlossen haben! Geschlagene 20 Minuten wiederholte sie dann sehr ausdrücklich: EI! Und dann kam Papa endlich zurück. Leider ohne Eier… (denn die Geschäfte machen doch erst um 8.00 Uhr auf!!!) Glücklicherweise ließ sie sich dann aber doch mit einem Nutella-Hörnchen versöhnen.
Heute hat Heleen in der Tagesklinik für nachhaltige Begeisterung gesorgt:
Aus dem Labor durfte sie heute den bereits erwähnten Hasen mitnehmen. Als wir bei den Schwestern ankamen herrschte also Party-Stimmung (zur Erinnerung: der Hase singt in einer affenlautstärke und wackelt mit dem Kopf). Manchmal schafft Heleen es dann aber doch nicht allein den An-Knopf zu drücken und ruft dann so lange: „Hase!“, bis endlich jemand zur Hilfe kommt.
Peinlicherweise hapert es noch an der Aussprache und jeder (wirklich jeder) versteht das Wort „Scheiße!“
Immerhin hatten wir heute alle Lacher auf unserer Seite…
Hoffen wir nun also, dass Heleen genug Kräfte hat, um diesen Infekt durchzustehen und dann bald wieder schöne Unternehmungen machen kann.