Heleen, die kleine Motte

06 April 2007

Das Meer und ein weiterer Tiefschlag

Am Freitag gab es nun (endlich) die Transfusionen von roten Blutkörperchen (Erys) und auch von Blutplättchen (Thrombos). Dazu musste Heleen in der Tagesklinik aufgenommen werden, denn allein die Bestellung der Erys dauerte bis zum späten Mittag. Damit diese Blutkörperchen nicht schon während der Transfusion kaputt gehen, laufen sie sehr langsam in den Körper ein. Heleen fand den Aufenthalt aber spätestens ab dem Mittagessen ziemlich blöd; (es gab drögen Fisch mit saurem Kartoffelsalat) und das tat sie dann auch lautstark kund. In der Tagesklinik teilen sich bis zu 4 Patienten ein Zimmer. Für Eltern kann es also schon eine kleine Herausforderung werden, das eigene Kind schnell zur Ruhe zu bringen, damit der Rest nicht nachhaltig gestört wird. Allerdings kam uns mal wieder Heleens „Nesthäkchen-Bonus“ zu Gute: Da Heleen meist die Jüngste der Patienten ist, ist man ihr nicht wirklich böse, wenn sie Vollalarm schreit, sondern jeder versucht ihr die Situation so angenehm wie möglich zu machen. Als man zu der Erkenntnis kam, dass Heleen dringend ein Mittagsschläfchen halten sollte, wurden nämlich die übrigen Anwesenden gebeten, den Raum zu verlassen. Unsere Motte weiß schon, wie man sich ein „Einzelzimmer“ organisiert. (Um ehrlich zu sein, durften die anderen mittags aber eh nach Hause gehen und sollten lediglich auf die Abschlussuntersuchung auf dem Flur warten.)
Nachdem Heleen sich also neue Kräfte erschlummert hatte, wurden wir wieder gefordert: Heleen wollte alle Brumm Brumms (Bobby Car) fahren, die im Wartebereich aufgespürt wurden. Die Schwierigkeit bestand dann darin, Heleen beim Lenken und Schwung holen zu helfen und nebenbei natürlich auch den Infusionsständer zu schieben.
Am späten Nachmittag wollte man uns dann aber doch gerne los werden und die Schwestern verzichteten auf die Nachbeobachtungszeit, so dass wir pünktlich zum Abendbrot wieder daheim waren. (Nachdem man Blut transfundiert bekommt, gibt es eine Nachbeobachtung von etwa 1 Stunde, da es zu Fieber oder anderen Reaktionen kommen kann.)

Mehr oder weniger spontan hatten wir uns in der letzten Woche überlegt, den Urlaub, den wir im letzten Jahr nicht antreten konnten, nun in Kurzform nachzuholen. Aus ärztlicher Sicht sprach auch nichts dagegen für ein paar Tage an die Ostsee zu fahren. Entgegen unserer eigentlichen Art, alles rechtzeitig und gut zu planen, packten wir also am Sonntagabend schnell einige Sachen zusammen, um einen Ausflug ans Meer zu machen. Alle Eltern von euch wissen, dass es kaum einen Unterschied macht, ob man übers Wochenende oder für zwei Wochen wegfährt, mit Kind nimmt man seinen halben Hausstand mit… Egal, wir wollten Heleen ja etwas ganz besonders Schönes bieten und da nimmt man diese Mühe gern auf sich!
Zur Mittagszeit kamen wir in Grömitz an und hatten herrliches Wetter. Bestens ausgestattet mit Bollerwagen ging es dann zum Strand um richtige Seeluft zu schnuppern. Leider fand Heleen nicht so viel Gefallen wie wir an unserem Ausflug, denn sie war die meiste Zeit am nörgeln und ließ sich nur kurzfristig mit Keksen beruhigen. Am Strand wollte sie unbedingt selbst den Bollerwagen bewegen und wollte dabei nicht einsehen, dass es für sie zu schwer ist und dass man einen Bollerwagen ziehen muss und nicht schieben kann. Von den anderen Strandbesuchen haben wir dann teils amüsierte teils mitleidige Blicke geerntet, als Heleen zu neuem Löwengebrüll ansetzte.
Erstaunlicherweise gefiel ihr unsere Unterkunft aber sehr gut und sie ist abends ohne Gemurre ins Bett gegangen und schnell eingeschlafen. Leider sollte es aber am nächsten Tag nicht besser werden. Die Nacht war untypischerweise schon um 5:00 Uhr beendet und entgegen ihrer Art ließ sie sich nach der Morgenmilch auch nicht noch einmal ins Bett legen. Man sagt: „Wer früh aufsteht, hat mehr vom Tag.“ Allerdings gilt das wohl nur für jemanden, der ausgeschlafen ist. Heleen war es eindeutig nicht, denn die Stimmung vom Vortag setzte sich genauso fort. Tja, das war nun also unser ganz besonderer Ausflug… was wir uns so schön überlegt hatten, schien Heleen ganz und gar nicht zu begeistern. Was also tun? Augen zu und durch oder so ehrlich zu sich selbst sein, dass es keinen Sinn macht und Heleen vielleicht sogar überfordert? Immerhin darf man nicht vergessen, dass sie monatelang völlig abgeschottet in der Klinik war und auch jetzt kaum Kontakt zur „normalen Welt“ hat. Wir haben den Urlaub dann abgebrochen, denn unser Wunsch ist es ja, mit Heleen Dinge zu unternehmen, die ihr Spaß machen.

Wieder daheim angekommen, steigerte sich Heleens Laune dann auch wieder im Positiven. Nach wie vor ist es ein Highlight Bagger zu beobachten oder zum Spielplatz zu gehen. Ist es nicht schön, wenn man schon mit so kleinen Dingen Freude erzeugen kann?!

Für uns gab es dann noch einen Tiefschlag vor Ostern, nämlich bei der Kontroll-Untersuchung am Donnerstag. Heleens Blutwerte verschlechtern sich zunehmend. Die Abwehrkräfte sind jetzt auf so niedrigem Niveau, bei dem ein „normaler Patient“ gar nicht aus der Klinik entlassen würde, weil die Infektionsgefahr zu groß ist. Also hat auch das Studienmedikament keinen Einfluss auf die Verbreitung der Leukämie genommen. Es wurde somit wieder abgesetzt. Wie geht es nun weiter? Es gäbe die Möglichkeit Heleen eine leichte Chemotherapie zu verabreichen und darauf zu hoffen, dass sich ein Teil der Leukämiezellen vernichten lässt. Eine Heilung ist nicht zu erwarten, eventuell aber ein Zeitaufschub. Allerdings kann man schlecht abschätzen, wie stark die Nebenwirkungen ausfallen werden, da Heleens Körper noch immer von der Transplantation geschwächt ist. Es klingt verlockend Zeit mit ihr zu gewinnen, aber wäre das tatsächlich in Heleens Sinne, wenn man die Nebenwirkungen schwer abschätzen kann? Jetzt geht es Heleen den Umständen entsprechend gut, sie ist fröhlich und interessiert, hat wieder guten Durst und Appetit. Vielleicht würde man diesen Zustand mit einer Chemotherapie vernichten. Es geht uns um Zeit, die lebenswert für die kleine Maus ist und nicht um Zeit, die man mit ihr am Krankenbett verbringt. Also haben wir uns gegen eine weitere Chemo entschieden. Irgendwann müssen wir Heleen gehen lassen. Aber wir können zumindest ein wenig beeinflussen, wie sie die nächste Zeit verleben darf.

Heute hat sie sich mit einem neuem Spielzeug begeistern lassen. Leihweise ist ein Musik-Spiel-Tisch bei uns angekommen und Heleen hat ihn gleich nach dem Frühstück in Beschlag genommen. Sogar abends mussten wir sie sogar noch mal aus dem Bett holen, weil sie sich überzeugen wollte, ob der Tisch auch noch da ist und funktioniert.

Wir hoffen nun also auf eine lange fieberfreie Zeit und freuen uns auf ein buntes Osterfest.

4 Comments:

  • Hallo ihr Drei, wir wünschen euch ein frohes und gemütliches Osterfest. Die Barsinghausener

    By Anonymous Anonym, at 7/4/07 16:39  

  • Hallo Ihr Lieben, wir hoffen, Ihr habt ein schönes Osterfest gehabt und Heleen blieb fieberfrei! Alles Gute und viel Spaß noch mit dem Musiktisch ;) Liebe Grüße, Simone, Sten und Lilly

    By Anonymous Anonym, at 10/4/07 14:04  

  • Hallo Ihr Lieben,
    wir hoffen, Ihr hatte schöne Ostern ohne weitere Tiefschläge!
    In Gedanken sind wir ganz ganz oft bei Euch.
    Viele liebe Grüße von Lara, Andreas und Nicole

    By Anonymous Anonym, at 10/4/07 21:51  

  • Hallo ihr Lieben,
    habe erst heute Eure Seite entdeckt und bin tief beeindruckt.
    Ich wünsche euch ganz viel Kraft und das mit eurer süßen Maus noch viele schöne Tage erlebt.
    Ich bin sehr traurig über den Verlauf und weiß gar nicht was ich dazu sagen soll.
    Alles Liebe
    Maria

    By Anonymous Anonym, at 13/4/07 09:59  

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